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მიხეილ შუღლიაშვილი

Mikheil Shugliashvili

KOMPONIST     კომპოზიტორი     Composer


Der erste georgische Avangardist – Komponist Mikheil Shugliashvili (1941–1996) – wurde aufgrund seiner konstruktivistischen Herangehensweise von vielen als »georgischer Xenakis« empfunden. Seiner ansteckenden Inspirationskraft wegen von seinen Schülern geradezu vergöttert, blieb er doch weithin verkannt. Unkonform und abweisend gegenüber der politischen Konjunktur der Sovjetzeit, kannte man ihn zu Lebzeiten in der Öffentlichkeit eher als ausgezeichneten Pädagogen.

Sein Werk, zwischen 1960-1979 geschaffen, und vom Klavier-Solo über Kammermusik bis hin zur grossen Orchesterbesetzung reichend, kommt im Laufe der letzten Jahre so langsam zur Wiederaufführung, manches erst zur Uraufführung.

Reso Kiknadze, Komponist und Schüler Shugliashwilis

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BIOGRAFIE     ბიოგრაფია     BIOGRAPHY



Mikheil Shugliashvili          მიხეილ შუღლიაშვილი

1941–1996

Der georgische Komponist Mikheil Shugliashvili wurde am 17. Januar 1941 in Tbilissi (Georgien) geboren und starb 23. November 1996. Er absolvierte 1964 sein Studium am Konservatorium Tbilissi, wo er bei Andria Balantschiwadse Komposition studiert hatte. Ab 1959 unterrichtete er Musiktheorie an verschiedenen Schulen in Tbilissi.

In den 1960ern und 1970ern schrieb er eine Reihe von Instrumentalwerken, in denen er sich vom seriellen Kontrapunkt entfernte hin zu einem meditativen Minimalismus. Sein Musikdenken war einerseits vom wissenschaftlichen Positivismus beeinflusst, andererseits von der Informationstheorie und vom Strukturalismus. Sein Schaffen wird durch einen Kult des Objektiven bestimmt, in dem die Klangkonzeption konstruktiv und logisch entsteht, und zwar unter Einbeziehung verschiedener Zahlenkategorien, die in der Musik eingeschrieben sind. Als logische Konsequenz gründete er 1995 in Tbilissi das erste Studio für Computermusik in Georgien.

Konstante Wechsel der Struktur in Dichte, Fülle, Rhythmus, Dynamik und Timbre zeichnen seine Kompositionen aus. Diese Parameter werden in akustischen Impulsen vereinigt und einzelne Zellen oder Gruppen räumlich verlagert - ähnlich mancher Experimente des Komponisten Karlheinz Stockhausen.

Das kompositorische Oeuvre Mikheil Shugliashvilis umfasst 22 Kompositionen, darunter Orchesterwerke, Kammermusik und Solowerke, die im Zeitraum von 1960-1979 entstanden und von denen bis heute noch nicht alle uraufgeführt worden sind. Mikheil Shugliashvili komponierte ausserdem Filmmusik für Spielfilme, Dokumentarfilme und Zeichentrickfilme. 

WERKE



Shugliashvili Werkverzeichnis
სამუშაოების ის ჩამონათვალი
list of works

1960-1969

Variation für Klavier (1960) 8’ *
Miniaturen für Holzbläser Quartett (1961) 4’ (UA 1961) *
Sonate für Klarinette und Klavier (1962) 10’ (UA 1962) *
Streichquartett (1963) 10’ (UA 2012)
Simphonietta Suite für Orchester (1964) 23’ (nicht aufgeführt)
Fünf Szenen aus Schota Rustawelis «Vepkhis t'q'aosani (Der Recke im Tigerfell)» für Kammerchor, Harfe, Klavier, 12 Streicher und Pauken (1965) (UA 2012)
Trio für Klarinetten in ES , B und Bass Klarinette (1966) 9’ (nicht aufgeführt) *
Neun Skizzen für Nonnett (1966) 7’ (noch nicht aufgeführt)
12 Klavierstücke für Kinder (1967) (teilweise aufgeführt)

1970-1979

Exercise „ეგზერსისი" für Klavier (1972) 7' (UA 1973)
Sextett für zwei Klaviere und Streichquartett (1973) 24’ (UA 1976)
Progressionen für zwei Orchester (1976) 24' (nicht aufgeführt) *
Inwersia für Klavier und Tonband (1976 / 1972-1979) 12' (nicht aufgeführt)
Grancanon für zwei Klaviere (1974) 48' (noch nicht aufgeführt) **
Grosse Chromatische Fantasie (Symphonie) für drei Klaviere (1975 /1976-1978) 60‘ (UA 2013)
Reminiszenz für 2 Klaviere und Tonband (1976) 18' (nicht aufgeführt) **
Da capo Sonata für Klavier solo (1976–1979) (UA 1999)
Largo et Presto (Ephitapie) für Klaviere (1977) 12‘ (UA 1978)
Pastoral für drei Klaviere (1978) 16‘ (UA 1978)
Multiplikation für 12 Klaviere oder ein Klavier und Tonband (1977–1979) (nicht aufgeführt)
Polichronie für Orchester (1978) 13’ (nicht aufgeführt)
Gradationi per orchestra (1979) 16’ (UA 2012, in einer Bearbeitung von Temo Bakuradze)

* Partitur des Stückes ist verloren
** Partitur ist teilweise verloren



Grosse Chromatische Fantasie (Symphonie) für drei Klaviere



Grand Chromatic Fantasy (Symphony) for three pianos

Tamriko Kordzaia, Tamara Chiadze, Nutsa Kasradze (Klavier)

Label: Edition Wandelweiser Records


Programmnotizen
>>> Tamriko Kordzaia
>>> Tobias Gerber
>>> Reso Kiknadze



Tamriko Kordzaia

Als der Georgische Komponist Mikheil Shugliashvili 1996 starb, war ein Grossteil seiner zwischen 1960-1979 geschaffenen Werke noch nicht aufgeführt worden. Erst langsam wird der konstruktivistische Nonkonformist in den letzten Jahren ausserhalb Georgiens entdeckt und einige seiner Kompositionen kommen zur Wieder-, manches zur Erstaufführung.

So auch das Stück »Grosse chromatische Fantasie (Symphonie)«, aus den Jahren 1974 und 1976-78: ein rund einstündiger Monolith für drei Klaviere, deren chromatischen Versetzungen und wild hinunterbrechenden Kaskaden einen flimmernden, unglaublich physischen Klangraum aufbauen – streng konstruiert, gleichzeitig voller Farbigkeit und Vitalität.

Die »Grosse chromatische Fantasie (Symphonie)«, wurde 2013 in Tbilissi (GE) im Rahmen des von mir kuratierten Festivals »Close Encounters« uraufgeführt. Die Erarbeitung des Werkes geschah in enger Zusammenarbeit mit David Shugliashvili, dem Sohn des Komponisten.

Diese Aufnahme ist ein Konzertmittschnitt der Aufführung im Radiostudio Zürich am 24. Oktober 2013. Sie ist als Koproduktion mit dem Schweizer Radio SRF und der IGNM Zürich entstanden.



Grosse chromatische Fantasie (Symphonie) für 3 Klaviere

Programmnotizen, Tobias Gerber

So werden wir durch die Minuten geführt, mal ins Helle, mal ins Dunkle, durch Girlanden und Fast-Stillstände, ohne dass die Stringenz auch nur einen Moment lang nachlässt. […] Nach einer guten Dreiviertelstunde landet das Stuck schliesslich dort, woran wir beim Titel schon dachten: bei Bachs »Chromatischer Fantasie« (ohne Fuge). Wild stürzen die bekannten Läufe hervor, sie halten wieder inne und rennen aufs Neue durcheinander, orgelhaft geradezu – und von Bedeutung: Tatsächlich, wir sind in einer »Konzertkirche«, einem kunstsakralen Raum. Mächtiges tiefes und lange verebbendes Tastengetrommel beendet das Werk nach fast einer Stunde, oder sind es nicht eher Glocken? (Thomas Meyer)

Der Georgische Komponist Mikheil Shugliashvili (1941-1996) wurde aufgrund seiner konstruktivistischen Herangehensweise von vielen als »georgischer Xenakis« empfunden. Seiner ansteckenden Inspirationskraft wegen von seinen Schülern geradezu vergöttert, blieb er doch weithin verkannt. Unkonform und abweisend gegenüber der politischen Konjunktur der Sovjetzeit, kannte man ihn zu Lebzeiten in der Öffentlichkeit eher als ausgezeichneten Pädagogen.

Sein Werk, zwischen 1960-1979 geschaffen, und vom Klavier-Solo über Kammermusik bis hin zur grossen Orchesterbesetzung reichend, kommt im Laufe der letzten Jahre so langsam zur Wieder-, oder manches sogar zur Erstaufführung. So auch das vorliegende Stück »Grosse chromatische Fantasie (Symphonie)«, das in den Jahren 1974 und 1976-78 entstanden ist und 2013 in Tbilissi (GE) im Rahmen des Festivals »Close Encounters« uraufgeführt wurde. Es kann durchaus in einer Reihe mit dem Minimalismus gesehen werden, also »neben den grossen Werken der Amerikaner, neben dem »Canto ostinato« von Simeon ten Holt oder den frühen Tintinnabuli-Stucken Arvo Pärts.« (Thomas Meyer)

Flimmernde Klangschwärme durchziehen das 60-minütige Stück. Durch ihre unterschiedliche Parametrisierung erinnern sie zuweilen an Xenakis’ oder James Tenneys Klangmassenprozesse, werden aber von Shugliashvili immer wieder auf eigensinnige Weise scharf konturiert.

Heftige Cluster und irisierende Klangfelder prägen das monolithische Werk, das nicht umsonst mit dem Untertitel »Symphonie« in Klammern versehen ist; wobei »Fantasie« und »Symphonie« eher mit dem doppeldeutigen Ursprungssinn des »geträumten farbigen Zusammenspiels« assoziiert werden können.

Die vorliegende Aufnahme ist ein Konzertmitschnitt vom 24. Oktober im Radiostudio Zürich.
Tonmeisterin: Michaela Wiesbeck



Mikheil Shugliashvili und seine “Grosse chromatische Fantasie” für 3 Klaviere

Reso Kiknadze, August 2013

Mikheil Shugliashvili (1941-1996), wegen seiner tiefgehenden Professionalität von seinen Kollegen bewundert, durch seine konstruktivistische Herangehensweise von vielen als „georgischer Xenakis“ empfunden, wegen seiner ansteckenden Inspirationskraft geradezu vergöttert von seinen Schülern, gilt dennoch als einer der verkanntesten Komponisten Georgiens. Unkonform und abweisend gegenüber der politischen Konjunktur der Sovjetzeit, galt er zu Lebzeiten in der Öffentlichkeit eher als fantastischer Pädagoge, bekannt durch seine einmalige Methode, dem Schüler jeden Alters – ob Schulanfänger, Student oder „fertiger“ Komponist - Musik mit all ihren ästhetischen, technischen und technologischen Facetten aufs Neue nahezubringen, jedem den entscheidenden und lang anhaltenden Impuls für sein Musikertum zu geben.

Sein Werk, zwischen 1960-1979 geschaffen, vom Klavier Solo über kammermusik bis hin zur grossen Orchesterbesetzung reichend, kommt im Laufe der letzten Jahre so langsam zur Wieder- oder manches sogar Erstaufführung, wie auch dieses Stück, „Grosse chromatische Fantasie“ genannt, das nicht umsonst mit dem Untertitel „Sinfonie“ in Klammern versehen ist; wobei die griechischstämmigen „Musikbegriffe“ eher mit dem doppeldeutigen Ursprungssinn des „geträumten“ „farbigen“ „Zusammenspiels“ assoziiert werden könnten. Dieser und vielen anderen Assotiationen lässt sich dieses 60 Minuten lange Werk für drei Klaviere freien Lauf; übrigens, diese Besetzung scheint recht beliebt bei Shugliashvili zu sein und nimmt einen wichtigen Platz in seinem Werk, die „Fantasie“ beschäftigt sich aber doch ganz besonders mit der Zahl Drei: Das ganze Stück ist im 3/8-Takt, jede von 120 Seiten der Partitur in 3 grosse “Dreimaldreiachteltakte“ und ganz in einem Tempo (Achtel = 162, Quersumme auch durch 3 teilbar) gehalten, die ganze Zeit mit niedergedrücktem rechten Pedal, bis auf ein paar kurze Unterbrechungen. Die so entstandenen Schwärme, die durch unterschiedlich lange Parametrisierung manchmal an Xenakis’ oder eher sogar James Tenneys Klangmassenprozessen erinnern, werden dann doch auf Shugliashvilis Weise scharf strukturiert, meistens durch Dreifachsforzatto-Akzente, unmittelbar gefolgt durch Mezzopiano der restlichen Passage.

Zwei verschiedene Angaben zur Datierung der Komposition, 1974 und 1976-78, sorgen für Frage, ob es nicht erst die Idee relativ lang in Erwägung gezogen und dann, zwei Jahre später, ebensolange Umsetzungsarbeit durchgeführt wurde. Einige Remarken des Autors weisen auf Vorbereitung oder Versuch hin, das Werk aufzuführen, was, aus welchem Grund auch immer, gescheitert ist und jetzt, 35 jahre Später, steht uns die langersehnte Erstaufführung dieses komplexen, in Schwärmen fliessenden und wohl tief emotionalen Stückes von Mikheil Shugliashvili bevor.



KRITIKEN



>>> The Wire, May 2016

>>> Dusted Magazine, 30 March 2016

>>> The Guardian, 25 Feb 2016

>>> Bayrischer Rundfunk, 25 Jan 2016

>>> Dissonance, No.125, March 2014

>>> Maia Sigua, Musica (Georgien), 2013

>>> Dissonance, 2008





Julian Cowley, The Wire, May 2016

Mikheil Shugliashvili
Grand Chromatic Fantasy (Symphony) For Three Pianos

Georgian composer Mikheil Shugliashvili, who died in 1996, is an intriguing outsider in the Edition Wandelweiser catalogue, a minimalist in essence, yet drawn to the imposing fullness and scope that is conveyed by the title of his hour long Grand Chromatic Fantasy (Symphony). Listeners familiar with the large scale cellular keyboard works of Dutch composer Simeon Ten Holt, Shugliashvili’s older contemporary, may find parallels in this music’s emphatic repetitiveness and its plural piano instrumentation. Bach, a main inspiration for both men, is quoted in dramatic style in the course of this work. But the cascading scales and tonal blocks that pile up in Shugliashvili’s Fantasy, driven by deep intuition, loom like the Caucasus when compared to Ten Holt’s expansive flatlands. A ruggedly irregular and imposing formation.


MARC MEDWIN, DUSTED MAGAZINE

Mikheil Shugliashvili — Grand Chromatic Fantasy Symphony for Three Pianos (Wandelweiser)
30 March 2016

In the early days of Wandelweiser records, a disc of music by the forgotten composer Herman Van San extended the label’s scope and helped to cement its aesthetic. He was composing long before there was a Wandelweiser group or label, but his outsider static and innovative music was a perfect fit. This disc of music by the all but unknown Mikheil Shugliashvili achieves a similar purpose. Born in 1941, the composer died in 1996, the year of the label’s first release, but his radical employment of sound and silence, not to mention equally inventive temporal unfolding and contextualization of Western music history, fits right in with Wandelweiser’s innovative vision.

The Georgian composer penned this absolutely massive work in either 1974 or 1976; the dating confusion might imply, as Thomas Meyer’s illuminating notes suggest, an extended period of gestation. This is its first recording, and the notes date its premier to 2013, the present pianists presiding. It is difficult to imagine a more committed and nuanced reading than that presented here by Nutsa Kasradzey, Tamriko Kordzaia and Tamara Chitadze. The music employs every pianistic technique I’ve ever heard, and each pianist plays the entire instrument as if helming an orchestra.

The music is as difficult to describe as it is rapturous to hear. It might be best to analyze it from a microcosmically representative moment outward. At 1957, out of a vast resonating and decaying cluster, emerges a single and repeated pitch. A second, muted and a third above, is added at a proportionately related tempo. A third pitch, and then a fourth, enter in slowly staggered rotation, and then a dancing and morphing melodic layer crystalizes above it all, complemented by an ascending chromatic line. Like seeds planted under ideal circumstances, those miniscule gestures govern the registral, rhythmic and motivic transformations occurring over the succeeding 16 minutes; the one pitch initiates a small rhythmic feast that only hints at similar but larger sonic games played throughout this monumental hour-long musical phantasmagoria.

As the title suggests, much of the music involves chromatic descent and somewhat less ascent, and the layers it creates in juxtaposition, at varying tempi and intensities. These minimal but protean colors also determine the various types of harmony always in play, from the vaguely jasmine-scented Francophile augmented chords to those wild post-Ivesian sonorities that the term “cluster” only cheapens. They often occur simultaneously. Gargantuan masses of sound akin to something Hermann Nitsch might inflict on the unsuspecting emerge from the most delicate chromatic gesture and then disappear into the silence that seems always to swallow everything, returning to claim even the most all-encompassing, mountainous and earth-shaking rumbles three pianos can muster. Geographical boundaries disappear as the peaks and valleys of sound are carved, constructed and destroyed over vast and malleable stretches of time. The title also suggests, to the classical music enthusiast, Bach’s D-Minor Chromatic Fantasy, but even its mention in the liner notes didn’t prepare me for how it was fragmented and distributed, rapid-fire, among the three pianists. Either the first 48 minutes constitutes some sort of magnificently multivalent prelude, or the Bach, transcending mere quotation, becomes a highly charged inside joke, an ironic afterthought to the myriad cascades anticipating and prefiguring it. Bach occupies the work’s last 10 minutes as Shakespeare occupies the end of The Beatles’ “I am the Walrus,” drifting in and out of recognition against a backdrop of dissonance and, ultimately, after a final resounding D, of silence.

If the recording sounds slightly distant, anything closer might distort under the ever-shifting accumulations of timbre, chord and colored melody. I have never heard piano music quite like this, not from Boulez, Cage, Stockhausen, Scriabin, Feldman, Sorabji, Krenek, Messiaen or Xenakis, all among my 20th century favorite piano revolutionaries. Perhaps Ives and Nancarrow come the closest in scope and sheer magnitude, but whether or not they achieved their timbral and temporal magic with such concentrated means is up for debate. Despite its numerous and repeated climaxes, there is always a sense of decay and disappearance, something at the heart of many Wandelweiser projects and of those composers championed by the group and label. This is a pianistic masterpiece whose breadth, focus and historical import is in need of much more careful study than a review will allow, and the Wandelweiser label has done lovers of the instrument and of its history an extraordinary service.


KATE MOLLESON, THE GUARDIAN

Thursday 25 February 2016

Was it a deliberate joke to encode this CD with metadata reading “Sea Moods – Relax With Nature”? If so, it’s a good one, because Mikheil Shugliashvili’s Grand Chromatic Fantasy for three pianos is the opposite of a chillout album. The mysterious Georgian composer (1941-1996) founded an eccentric music school in Tbilisi and developed computer music for film studios; little else is known about him. His monumental unpublished score from the 1970s unfolds in a single hour-long span, dense with hammered-out repeated notes, clammy chromatic smudges and angry chord clusters. After about 45 minutes, there’s a nightmarish sublimation of Bach’s Chromatic Fantasy, sustain pedals to the floor, creating an almighty grotty blur. Compared with other big relics of minimalist process music, it is breathtakingly menacing stuff, and pianists Tamriko Kordzaia, Tamara Chitadze and Nutsa Kasradze drive headlong into its darkest corners. It is a fearless performance; mood music it is not.


HELMUT ROHM, BAYRISCHER RUNDFUNK

BR KLASSIK, CD-Tipp 25.01.2016

Was für Sogkräfte entfaltet diese Musik! Man kann von ihnen gepackt und nicht mehr losgelassen werden. Unerbittlich und doch lustvoll führt die Klangreise dann eine knappe Stunde lang durch fantastisch zerklüftete, mal leis pochende, mal bebende oder wie vom Donner gerührte und von Lavaströmen durchzogene Landschaften.

Der CD-Tipp zum Nachhören!
Erst vor gut zwei Jahren, am 24. Oktober 2013, wurde die "Grand Chromatic Fantasy (Symphony)" für drei Klaviere in Zürich uraufgeführt. Der georgische Komponist Mikheil Shugliashvili hat sie in den mittleren 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschrieben.

Pulsierende Klangprozesse
Eine absolut großartige Entdeckung! Sie betrifft nicht nur das in seiner Art singuläre Werk, in dem sich pulsierende Klangprozesse oft aperiodisch überlagern, verdichten und in schier vulkanischen Eruptionen entladen, in dem sich Iannis Xenakis und James Tenney, Anton Bruckner und György Ligeti, Galina Ustvolskaya und Steve Reich von Ferne innig zu grüßen scheinen. Auch sein Schöpfer, von dem man weder in den gängigen Lexika noch im Internet halbwegs Erschöpfendes in Erfahrung bringen kann, rückt mit dieser CD endlich in den Fokus. Shugliashvili, der 1941 in Tbilissi geboren wurde und 1996 in der georgischen Heimat starb, hat seine "Große chromatische Fantasie (Symphony)" selbst nie gehört.

Magische Klangwelt
Als Jugendlicher hatte Mikheil Shugliashvili kurze Zeit in Moskau Cello studiert, dann, wieder zurück in Tbilissi, Komposition bei Andria Balanchiwadze, einem Bruder des berühmten Choreographen George Balanchine. Doch mit seiner in den sechziger und siebziger Jahren entstandenen konstrukiv-elaborierten, vollkommen eigenständigen Musik für kleine und große Besetzungen, teils auch mit Elektronik, konnte er nie nachhaltige Aufmerksamkeit erregen. Es ist deshalb ein echter Glücksfall, dass das Kreativ-Label Edition Wandelweiser dieser Tage den Mitschnitt der Züricher Uraufführung von Shugliashvilis phänomenaler Tasten-Symphonie als CD veröffentlicht hat. Die Pedale ihrer Flügel meist niedergedrückt, führen die drei jungen georgischen Pianistinnen Tamriko Kordzaia, Tamara Chiadze und Nutsa Kasradze hochkompetent und virtuos in eine magische Klangwelt, durch deren Architekturen in den Schlussminuten Anklänge aus der Chromatischen Fantasie Johann Sebastian Bachs wehen.


THOMAS MEYER, DISSONANCE

Klangvolle Entleerungen
Mikheil Shugliashvilis «Grosse chromatische Fantasie»
IGNM-Konzert vom 24. Oktober 2013 im Radiostudio Zürich

Einmal mehr: Von den Rändern her

„Von den hereinbrechenden Rändern Europas“ sprach Ludwig Hohl einst. Das Wort kam einem bei diesem Konzert wieder in den Sinn. Zwar brach hier eigentlich nichts plötzlich herein, vielmehr wurde es hereingetragen in Form drei Kilo schwerer Partituren, und diese blätterten sich über eine Stunde hinweg allmählich auf: Eine geballte Ladung: Musik aus Georgien für drei Klaviere, gespielt von Tamriko Kordzaia, Tamara Chitadze und Nuza Kasradze. Kurz gesagt: ein Ereignis.

„Grosse chromatische Fantasie“ heisst das Stück; der Komponist: Mikheil Shugliashvili (1941-1996). Die Lexika kennen ihn nicht, eine Internetrecherche zeitigt nur wenige Treffer, das Stück ist nicht verlegt; es wurde erst am letzten 4. Oktober in Tbilissi uraufgeführt – und zwanzig Tage später in Zürich wiederholt. Gänzlich unbekannt ist der georgische Avantgardist bei uns freilich nicht. Vor fünf Jahren hatten Nuza Kasradze und Tamriko Kordzaia zusammen mit einem Streichquartett (Rahel Cunz und Daniel Meller, Violinen, Nicolas Corti, Viola und Cobus Swanepoel, Violoncello) sein Sextett an der ZHdK vorgestellt, im Rahmen des Festivals «Close Encounters». Alfred Zimmerlin sprach damals schon in der NZZ von einem „grandiosen Werk“.

Gleiches könnte man von dieser „grossen chromatischen Fantasie“ sagen: Sie entstand Mitte der 70er Jahre (es gibt zwei verschiedene Datierungen: 1974 sowie 1976-78) und wäre damit in einer Reihe mit dem Minimalismus zu sehen: neben den grossen Werken der Amerikaner, neben dem „Canto ostinato“ von Simeon ten Holt oder den frühen Tintinnabuli-Stücken Arvo Pärts. Wiederholungen und Überlagerungen spielen in dieser Fantasie tatsächlich eine wichtige Rolle, allerdings erscheinen sie auf höchst ungewöhnliche, konstruktive Weise behandelt.

Mit einfachen absteigenden Tonleitern beginnt das Stück: Sie werden allmählich weiter nach unten erweitert, legen sich übereinander, mit streckenweise durchgehaltenem Pedal, so dass eine Aura entsteht, dünnen sich wieder. So geht’s fünf Minuten lang hinunter – und dann ähnlich wieder hinauf; bald darauf in beide Richtungen gleichzeitig, woraus sich in einer Verdichtung nach etwa einer Viertelstunde eine heftige, in wüste Cluster ausbrechende Steigerung ergibt. Eine längere rhythmische Passage folgt, geklopft auf den Klavierdeckeln; dann wieder Tonleiternkaskaden oder abgedämpfte Tonrepetitionen; die Elemente werden auch bald einmal kombiniert; irrisierende Felder, Klangschwärme entstehen... Schon früh offenbar hat dieser Komponist begriffen, wie man das Klangmaterial durch Wiederholung entleert, ja aushöhlt und damit neue Entwicklungsmöglichkeiten erfindet, neue Zeitarchitekturen baut. So werden wir durch die Minuten geführt, mal ins Helle, mal ins Dunkle, durch Girlanden und Fast-Stillstände, ohne dass die Stringenz auch nur einen Moment lang nachlässt. Wohin aber führt uns diese riesige Toccata?

Sie hat tatsächlich ein Ziel: Nach einer guten Dreiviertelstunden landet das Stück schliesslich dort, woran wir beim Titel schon dachten: bei Bachs „Chromatischer Fantasie“ (ohne Fuge). Wild stürzen die bekannten Läufe hervor, sie halten wieder inne und rennen aufs Neue durcheinander, orgelhaft geradezu – und von Bedeutung: Tatsächlich, wir sind in einer „Konzertkirche“, einem kunstsakralen Raum. Mächtiges tiefes und lange verebbendesTastengetrommel beendet das Werk nach fast einer Stunde, oder sind es nicht eher Glocken?



MAIA SIGUA, MUSICA (Georgien), 2013

Übersetzung ins Deutsche von Tamriko Kordzaia

[…] Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass der Hauptakt des diesjährigen Festivals für aktuelle Musik »Close Encounters« die Uraufführung der »Grossen chromatischen Fantasie (Symphonie)« von Mikheil Shugliashvili war. Die Uraufführung dieses grandiosen Werks war seit Beginn des Festivals eine treibende Kraft und ein grosses Ziel! Ich erlaube mir, in diesem Text mehrheitlich über diese Ereignis zu sprechen […], da dieses Werk nicht nur für das Festival sondern auch für die gesamte georgische Musik wichtig ist.

Das rund einstündige monumentale Werk hat eine unglaublich magnetisierende Kraft, eine Farbigkeit der Timbres mit eigenartigen harmonischen Progressionen, so, dass die Zuhörer nie auf die Idee kämen, dass es von mathematischen, konstruktivistischen Ideen geprägt ist und es sich um eine Art radikales Konstrukt handelt. […] Genau diese Eigenschaft ist die grosse Besonderheit dieser Musik: Shugliashvili schafft aus den mathematischen Formeln und Zahlenprogressionen ein musikalisches Ereignis, das die Zuhörer emotional in seinen Bann zieht. […] Umso mehr freut mich die bevorstehende Aufführung in der Schweiz am 24. Oktober im Radiostudio Zürich, mit der die diesjährige Ausgabe des Festivals Close Encounters zu Ende geht – aber wer weiss, vielleicht ist es der Anfang auf dem Weg zur Entdeckung der Musik Mikheil Shugliashvilis.


TOBIAS ROTHFAHL, DISSONANCE, 2008

Klangvolle Entleerungen
Das georgisch-schweizerische Festival «close encounters»
in Uster, Winterthur und Zürich (29. Februar bis 7. März 2008)

[...] Wie ein Blitzschlag wirkte die Öffnung der Schublade, in welcher Micheil Shugliashvili (1941-1996) vor 30 Jahren nach einer einzigen Aufführung sein Sextett für zwei Klaviere und Streichquartett vor den Fläschern des sozialistischen Realismus verbergen musste. Selbst in Georgien ist seine Musik erst wenig bekannt (auch in diesem Sinn spielt das Festival «close encounters» eine wichtige Rolle - dass die Konzerte in Georgien jeweils von mehreren Hundert Zuhörern besucht wurden, spricht Bände), erst recht nicht in der Schweiz. Dies dürfte sich ändern, denn die schroff-kraftvolle Klangsprache Shugliashvilis  - ähnlich erratisch in der Musikgeschichte stehend wie diejenige Galina Ustvolskajas - fand beim auch in Zürich zahlreichen Publikum enormes Interesse. Das auf knappstem Akkord- und Zahlenmaterial basierende, fast 30-minütige Werk wurde von den Pianistinnen Nutsa Kasradze und Tamriko Kordzaia und einem Streichquartett mit Rahel Cunz, Daniel Meiler, Nicolas Corti und Cobus Swanepoel in seiner radikalen Heftigkeit (wie sie wohl nur in der Isolation entstehen kann), in der aber auch Raum für stichhaltiges pianissimo-Aushören von Akkordstrukturen blieb, faszinierend vorgestellt.[...]

DIE  INTERPRETINNEN



Tamriko Kordzaia, Tamara Chitadze und Nutsa Kasradze

Tamriko Kordzaia, Tamara Chitadze und Nutsa Kasradze kommen alle drei aus Georgien und haben zu unterschiedlichen Zeiten am Konservatorium in Tbilissi, zum Teil bei den gleichen Lehrern – Nodar Gabunia, Nana Khubutia,Tengiz Amiredgibi, Swetlana Korsantia – studiert. Nach der Öffnung der Grenzen in den 1990er Jahren hatten viele Georgische Künstler das Land verlassen, und so verschlug es auch auch Tamriko Kordzaia und Tamara Chitadze in die Schweiz, genauer an das Konservatorium Winterthur in die Klasse von Hans-Jürg Strub. Kordzaia und Chitadze leben noch heute in der Schweiz, Kasradze in Georgien. Alle drei Pianistinnen sind Preisträgerinnen internationaler Wettbewerbe und pflegen als Kammermusikerinnen und Solistinnen ein Repertoire von klassischer bis zu zeitgenössischer Musik. 


Tamriko Kordzaia

Tamriko Kordzaia hatte sich bereits in ihrer georgischen Heimat einen Namen als Haydn- und Mozart-Interpretin erarbeitet. Nach ihrer Übersiedlung in die Schweiz führte sie diese Beschäftigung weiter, zunehmend rückte aber auch die neue Musik, besonders diejenige jüngerer Komponistengenerationen, in ihr Blickfeld. In ihren solistischen Programmen trifft sich immer wieder scheinbar Unvereinbares: neben die Wiener Klassik stellen sich Uraufführungen, neben Messiaen postminimalistische Trash-Kompositionen oder Werke von Musikern aus der Rock- und Technoszene. Tamriko Kordzaia studierte in Tbilissi bei Nana Tschikwaidse, Nodar Gabunia und Nana Chubutia, in der Schweiz bei Homero Francesch und Hans-Jürg Strub. Sie erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, darunter den ersten Preis und den Preis für Mozart-Interpretation am Internationalen Sakai-Wettbewerb in Osaka und den Kulturförderpreis der Stadt Winterthur. Tamriko Kordzaia ist als Vermittlerin aktueller Musik in Georgien aktiv geworden und wirkt dort als Leiterin des Festivals «Close Encounters – Festival für aktuelle Musik». Sie ist Dozentin an der Zürcher Hochschule der Künste und am Konservatorium Winterthur. Tamriko Kordzaia lebt in Zürich und ist seit 2008 Mitglied des Mondrian Ensembles. 


Tamara Chitadze

Tamara Chitadze wurde in Tbilissi geboren und spielt seit ihrem 8. Lebensjahr Klavier. 1998 schloss sie das Musikgymnasium Z. Paliashvili ab, wo sie Unterricht von Nodar Gabunia erhielt, und trat in die Klasse von Prof. Svetlana Korsantia am staatlichen Konservatorium Tbilissi ein. 2004 absolvierte sie dort den Master. Von 2006 bis 2009 studierte sie in der Solistenklasse von Prof. Hans-Jürg Strub an der Zürcher Hochschule der Künste und schloss das Studium mit dem Solistendiplom ab. Seit Oktober 2010 hat sie eine Stelle für Korrepetition an der Hochschule der Künste Bern (HKB) inne und begleitet dort u.a. die Klassen von Conradin Brotbek – Cello, Jaime Gonzalez, Matthias Arter – Oboe, Patrick Jüdt – Viola und Markus Würsch – Trompete. Zudem ist sie eine gefragte Begleiterin an zahlreichen Festivals, Meisterkursen und Wettbewerben. Konzerte als Solistin und Kammermusikerin ergänzen die vielfältige Tätigkeit. 


Nutsa Kasradze

Nuza Kasradze studierte bei Manana Baratashvili am Musikgymnasium, bei Prof. Nodar Gabunia und bei Prof. Nana Khubutia am Staatlichen Konservatorium Tbilissi. 1998 gewann sie den ersten Preis am Internationalen Wettbewerb in Makropulo (Griechen-land). 2000 erhielt sie das Stipendium des Präsidenten Georgiens und war Erste Preisträgerin und «Beste Pianistin Osteuropas» am internationalen Wettbewerb in Barletta (Italien). 2006 trat sie im Rahmen des Festivals «Close Encounters» in Zürich und Basel auf; im selben Jahr erhielt sie den ersten Preis am Internatio-nalen Klavierwettbewerb in Rom. Sie nahm an einem Meisterkurs bei S. Dorensky in Moskau teil; seit 2007 ist sie Dozentin am Staatlichen Konservatorium Tbilissi. 

KONTAKT



Kontakt :
Tamriko Kordzaia tamriko@tamriko.net
Heinrichstrasse 210, 8005 Zürich, Schweiz

David Shugliashvili davidshugliashvili@yahoo.com
Tbilissi, Georgien